T. van Osselaer u.a. (Hrsg.): Christian Homes

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Titel
Christian Homes. Religion, Family and Domesticity in the 19th and 20th Centuries


Herausgeber
Van Osselaer, Tine; Patrick. Pasture
Erschienen
Leuven 2014: Leuven University Press
Anzahl Seiten
227 S.
Preis
URL
Rezensiert für die Historische Bildungsforschung Online bei H-Soz-Kult von:
Yvonne Maria Werner

Es erscheinen immer wieder neue Studien zum Thema Geschlecht und christliche Religion in der modernen Gesellschaft. Die meisten davon befassen sich entweder mit den religiös motivierten Aktivitäten von Frauen oder mit der Konstruktion christlicher Männlichkeit in Hinblick auf die Herausforderungen einer feminisierten Religion. In diesem Sammelband über den christlichen Haushalt werden diese beiden Aspekte behandelt. Wie die belgische Historikerin Tine Van Osselaer in der Einführung darlegt, geht es hier sowohl um die christlichen Familienideale in Protestantismus und Katholizismus sowie um die praktische Auswirkung dieser Ideale im konkreten Leben.

Der Sammelband besteht aus neun Beiträgen, von denen die meisten sich mit dem Katholizismus befassen. Der Begriff Haushalt in seiner wechselnden Bedeutung bildet den gemeinsamen Rahmen. Als Ausgangspunkt dient auch die These einer Feminisierung des Christentums in der Moderne und deren Implikationen für die Rolle von Kirche und Religion in der Gesellschaft. Mit den politischen, kulturellen und sozialen Veränderungen des 19. Jahrhunderts verlor die patriarchalisch organisierte Hausgemeinschaft langsam ihre bisherige Stellung als Fundament der Gesellschaft zugunsten der bürgerlichen Familie. Diese neue Familienideologie mit ihrer scharfen Grenzziehung zwischen privat und öffentlich und zwischen männlich und weiblich ging Hand in Hand mit der Vorstellung, daß Religion eine der weiblichen Sphäre zugeordnete Privatsache sei. Für das Luthertum hatten diese Veränderungen besonders fatale Folgen, da die in der Haustafel konkretisierte Familienordnung und die damit zusammenhängende Drei-Stände-Lehre ein tragendes Prinzip der Gesellschaftsideologie war.

In dem Beitrag des schwedischen Kirchenhistorikers Alexander Mauritz kommt dies klar zum Vorschien. Er zeigt, wie die konservativen schwedischen Neulutheraner bestrebt waren, die lutherische Familienideologie (Haustafel) zu reaktivieren und zu befestigen, wobei sie vor allem die Rolle des Hausvaters hervorhoben. Indem sie die Idee einer im Haushalt verankerten christlichen Männlichkeit artikulierten, verteidigten sie zugleich die überlieferte, patriarchale lutherische Gesellschaftsordnung. Auch in der katholischen Welt war dies ähnlich, wie der deutsche Theologe Bernhard Schneider in seiner Analyse katholischer Männerliteratur illustriert. Hier ging es aber nicht in erster Linie darum, die Position des Hausvaters zu befestigen, sondern darum, die Männer an die Kirche zu binden und im Kampf für die Rechte der Kirche in der Gesellschaft zu engagieren. Dies spiegelt zugleich die unterschiedliche Bewertung von Ehe und Familie. Im Katholizismus galt die zölibatäre monastische Lebensform als die höchste Form christlichen Lebens, während die evangelische Tradition von dem Zölibatsideal Abstand nahm und die normative Stellung von Ehe und Familie hervorhob.

Die beiden französischen Historiker Betrand Goujon und Mattieu Brejon de Lavergnée zeigen, wie die von Schneider herauskristallisierten katholischen Männlichkeitsideale auch in der Praxis des katholischen Familienlebens der höheren Gesellschaftsschichten zum Tragen kamen. Mit Beispielen aus dem deutschen Hochadel und dem französischen Bürgertum tritt hier das Bild eines religiös geprägten Familienlebens hervor, wo die gelebte Religion, die karitative Tätigkeit und das Engagement für die Rechte der Kirche im Mittelpunkt standen.

Von einer Feminisierung der Religion ist hier keine Rede, und die Männer waren genauso kirchlich engagiert wie die Frauen, wenn auch in unterschiedlicher Weise. Wie im protestantischen Familiendiskurs wurden die Pflicht der Unterordnung der Frau unter dem Mann sowie die patriarchale Verantwortung des Ehemannes als Familienvater und Bürger betont. Ein weiteres Merkmal des katholischen Familienlebens war die Präsenz der Priester. Dies wird in der Studie Van Osselaers über das Apostolat der Inthronisierung des heiligen Herzens Jesu in den Familien illustriert. Durch diese, Anfang des 20. Jahrhunderts initiierte Bewegung sollte der Privatisierung des religiösen Lebens entgegengewirkt, die Bindung der Familien an die Kirche befördert und die Herrschaft Christi und damit der Kirche in Familie und Gesellschaft manifestiert werden.

Die im kirchlichen Vereinsleben tätigen katholischen Frauen waren darauf bedacht, sich innerhalb des Rahmens der überlieferte Genderordnung zu halten. Ein Beispiel bietet die französische Historikerin Magali della Sudda in ihrer Untersuchung der 1901 gegründeten Frauenorganisation Ligue patriotique des Françaises, die ihre soziale und quasipolitische Tätigkeit als ein Ausfluss ihrer häuslichen Pflichten darstellten. Hier wäre ein Vergleich mit den evangelischen Frauen geboten, die – wie viele Studien zeigen – schon im 19. Jahrhundert eine ähnliche Legitimierungsstrategie entwickelten. Diese Verwischung der Grenzen zwischen dem häuslichen und dem öffentlichen Leben zeigte sich auch bei den im ultramontanen Katholizismus so wichtigen Privatoffenbarungen. In dem Beitrag der amerikanischen Religionshistorikerin Paula Kane werden drei Mystikerinnen vorgestellt, welche die Wundmale Christi empfingen, prophetische Botschaften vermittelten und, im Bett liegend, in ihren Häusern große Scharen von Pilgern empfingen.

An Hand von Beispielen aus der angelsächsischen Welt analysieren die britische Historikerin Alana Harris und der US-amerikanische Religionshistoriker Jonathan Ebel die Verwendung von religiös geprägten Familienmetaphern und die symbolische Bedeutung von Haus und Familie. In Ebels Artikel geht es um die Verwendung solcher Metaphern in US-amerikanischer Literatur, Propaganda und in Briefen während des Ersten Weltkrieges und wie dies die gängigen, bürgerlich liberalen Gendervorstellungen spiegelte und zu deren Befestigung beitrug. Harris untersucht die liturgischen Debatten im Britischen Katholizismus der Nachkriegszeit. Er zeigt, wie im Anschluss an die Ideen der liturgischen Bewegung, die Messe immer mehr als eine Mahlgemeinschaft und die Kirche als eine Familie dargestellt wurden, eine Entwicklung, die in den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils mündeten.

Es ist ein übergreifendes Ziel dieses Sammelbandes gewesen, die komplexen Beziehungen zwischen Familienleben, Geschlechteridealen und Religion im Protestantismus und Katholizismus zu illustrieren und zu weiterer Reflexion hierüber einzuladen. Dies ist gut gelungen, und die Artikel zeigen überzeugend die große Bedeutung des christlichen Haushalts und der darin vermittelten Normen und Werte für das kirchliche Leben und für die Stellung der Kirche in der Gesellschaft.

Zitierweise:
Yvonne Maria Werner: Rezension zu: Tine Van Osselaer/Patrick Pasture (Hg.), Christian Homes. Religion, Family and Domesticity in the 19th and 20th Centuries, Leuven, Leuven University Press, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions und Kulturgeschichte, Vol. 109, 2015, S. 408-410.

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